Anaktora, das einstige „Schlossviertel“ zwischen den Hauptstraßen Vasilissis Sofias und Vassileos Konstantinou mag wie ein dröges gehobenes Wohnquartier wirken. Es ist aber alles andere als bescheiden. In einem Umkreis von zwei Kilometern werden Sie hier mehr Spitzenmuseen finden als sonst wo in Athen.
Nehmen Sie im Benaki-Museum ein Panorama der griechischen Geschichte, der Volkskunst und -kultur vom prähistorischen Zeitalter bis ins 20. Jahrhundert in sich auf. Falls Sie etwas mehr Zeit mitbringen sollten, begeben Sie sich ein paar Ecken weiter zur weltweit größten Sammlung antiker Kunst von den Kykladen im Museum für kykladische Kunst. Das ebenfalls an der Vasilissis Sofias gelegene Byzantinische und Christliche Museum ist eine Schatzkammer religiöser Kunst und Artefakte von Ikonen bis hin zu Altären mitten in einem der schönsten versteckten Gärten Athens. Falls Sie auf Militaria stehen, dann folgen Sie der griechischen Geschichte durch die militärischen Konflikte des Landes im Nationalen Kriegsmuseum (stören Sie sich nicht an der leichten Schieflage zugunsten der Erfolge anstelle der Niederlagen: das Museum wurde unter der Militärdiktatur als „Denkmal für den Heldenmut und das militärische Können der Griechen“ gebaut).
Foto: Georgios Makkas
Foto: Georgios Makkas
Das lang erwartete Museum für moderne Kunst der B&E-Goulandris-Stiftung wurde im Oktober 2019 in Pangrati eröffnet. Sie haben also einen Grund mehr, das Athener Museumsviertel in Ihre Reiseplanung aufzunehmen. Besucher der Stadt und Athener werden erstmals Gelegenheit erhalten, Meisterwerke von Künstlern wie Cézanne, van Gogh, Gaugin, Monet, Degas, Rodin und Picasso zusammen mit bedeutenden griechischen Malern zu genießen. Am ursprünglich für den Bau des Goulandris-Museums vorgesehen Standort kamen die Überreste des Lykeions des Aristoteles ans Licht, einer der drei berühmten Philosophenschulen des alten Athen. Dies ist der Ort, an dem Aristoteles wandelte und mit seinen Schülern über Philosophie und Mathematik diskutierte.
Doch dieser innerstädtische Bezirk bietet nicht nur Museen. Es ist auch ein Ort, wo politische und finanzielle Macht in der teuersten Innenstadtlage Athens massiert sind. Diese örtlichen Sehenswürdigkeiten sollten Sie bei Ihrem Museums-Hopping unbedingt einstreuen.
Das Präsidialpalais und der Amtssitz des Ministerpräsidenten
Die Exekutive hat ihren Sitz in zwei Prachtbauten ungefähr in der Mitte der Irodou Attikou, einer erstaunlich stillen Straße, die den Nationalgarten säumt. Es entbehrt nicht einer subtilen Symbolik, dass der Sitz des Ministerpräsidenten von der Straße aus nahe hinter der Einfriedung liegt und somit für das Volk direkter erreichbar ist, während das distanzierte Präsidialpalais durch ausgedehnte Rasenfläche von der Straße getrennt wird.Executive power is concentrated in two splendid mansions midway down Irodou Attikou, a surprisingly tranquil street running alongside the National Garden. It’s subtly symbolic that the premier’s quarters sit just inside the gated grounds—and thus more directly accessible to the people—while the more aloof presidency is separated from the street by a wide lawn.
Evzonen stehen vor dem Präsidialpalais Wache, das 1890 von dem Deutschen Ernst Ziller als Kronprinzenpalais gebaut wurde, später als Schloss diente und seit der Abschaffung der Monarchie 1974 der zeremonielle Amtssitz des Staatspräsidenten ist. Zwischen Staatsbesuchen liegt das Gebäude im Dornröschenschlaf, sieht man von den Touristen ab, die beim stündlichen Wachwechsel Schnappschüsse machen. Im Amtssitz des Ministerpräsidenten nebenan geht es dagegen höchst betriebsam zu, oft kampieren die Medien vor dem Haus. Die als Haus Maximos bekannte Stadtvilla wurde 1924 als Privathaus errichtet. Obwohl sie offiziell auch die Wohnadresse des Premiers ist, hat bisher kein Regierungschef dort gewohnt.
Foto: Georgios Makkas
Foto: Georgios Makkas
Das Athener Konservatorium
Dieser schnittige marmorne Lobgesang an den Bauhausstil dümplete fast 50 Jahre lang vor sich hin, ehe die 5.000 Quadratmeter großen Konzertsäle und die verblüffende, 150 Meter lange freie Erdgeschosszone vor Menschen und Klängen wimmeln konnten. 1959 bei Jan Despo (Ioannis Despotopoulos), der bei Walter Gropius am Bauhaus studiert hatte, in Auftrag gegeben, hatte das Konservatorium (Odeion auf Griechisch) das Pech, 1971 fertig zu werden, vier Jahre nach der Machtergreifung durch die Junta. Von den Diktatoren als „fremdländisch“ verdammt trug es dennoch den Makel ihrer Herrschaft und wurde erst 2016 offiziell eingeweiht. Die Aktivitäten der Musikschüler ergießen sich oft aus den 35 Klassenzimmern und zwei Konzertsälen und erfreuen die kleinen Besucher des Griechischen Kindermuseums im Erdgeschoss. Wechselausstellungen und Kunstmessen im Ausstellungssaal im Untergeschoss tragen zur kreativen Atmosphäre bei.
Der Rizari-Park
Pendler, die aus dem U-Bahnhof Evangelismos strömen, trampeln über Samuel Becketts Cascando, dessen Verse in einer Installation des Künstlers David Harding verwendet werden, ohne die Schönheiten dieses kleinen städtischen Parks wahrzunehmen. Dieser grüne Keil war ursprünglich das Gelände des Rizarios-Priesterseminars und bietet römische Überreste, Werke moderner Spitzenkünstler wie Giorgos Zongolopoulos und eine der ältesten neuzeitlichen Skulpturen der Stadt – eine Marmorbüste des Aufklärers Neophytos Doukas von der Hand des Architekten Christian Hansen. Das Rizarios-Seminar wurde 1841 durch einen Händler aus Epirus gegründet, der finanziell zum griechischen Freiheitskampf beigetragen hatte. Die Kirche Agios Georgios mit der Silberkuppel neben dem U-Bahnhof war Teil des Seminars. Außer Wandbildern der Künstlerin Eleni Prosalenti aus Korfu aus dem 19. Jahrhundert birgt die Krypta der Kirche die sterblichen Überreste von Georgios Rizaris.
Foto: Georgios Makkas
Foto: Georgios Makkas
Der Läufer
Kein Punkt in Athen liefert eine derart konzentrierte Sicht auf die architektonische Entwicklung der Stadt wie das kleine Dreieck, das von der ausdrucksstarken riesigen Skulptur von Kostas Varotsos eingenommen wird, die ausschließlich aus grünem Glas besteht. Der Läufer wurde 1988 hier aufgestellt, wie ein Bote der stetigen Modernisierung der Stadt, seit sie über die Grenzen hinauswuchs, die der Bau des Evangelismos-Krankenhauses 1884 gesetzt hatte. Die erste Expansionswelle in der Vorkriegszeit prägten die Apartmenthäuser mit den charakteristischen Erkern auf der anderen Straßenseite. Das Athens Hilton, Wahrzeichen und Hotel zugleich, steht für die zweite Welle: den Wiederaufbau nach dem Krieg, als die Stadt ihr klassizistisches Gewand abstreifte. Dieser radikale Sprung in die Moderne wird durch die expressiven „Gravuren“ von Jannis Moralis in der Westfassade des Hotels unterstrichen.
Der Nationalgarten und das Zappeion
Mitte des 19. Jahrhunderts als Lieblingsprojekt der Königin Amalia angelegt, steht der einstige Königliche Garten im Mittelpunkt des Athener Lebens, seit er 1927 für die Öffentlichkeit geöffnet wurde. Der knapp 16 Hektar große Park bietet eine beeindruckende Vielfalt an Pflanzen – mehr als 500 Arten –, von denen viele aus fernen Ländern bis hin nach China und Guatemala eingeführt und auf Effekt hin gepflanzt wurden, wie die Palmen nahe dem Haupteingang an der Amalias Avenue. Dieser botanische Reichtum zieht viele Vögel an, von Sittichkolonien bis zu Spechten und Zaunkönigen. Efeuumrankte schmiedeeiserne Gartenlauben und einsame Bänke schaffen das ideale romantische Ambiente für Liebespaare und Picknicks.
Der benachbarte Zappeion-Park ist für Familien, was der Nationalgarten für Liebespaare ist. Die Anlage, die sich vor der hufeinsförmigen Messehalle erstreckt, die auch für Staatsakte genutzt wird, brummt vor Aktivitäten wie Buchausstellungen und kleinen Warenmessen. Normalerweise treffen Sie die Einheimischen im Schatten flanierend an, oder sie erfrischen sich in dem gehobenen Café-Restaurant oder sehen abends einen Film im benachbarten Sommerkino. Im Park gibt es auch einen Sportpark für Kinder mit Kletterwand, Trampolinen, Laufbahn sowie Volleyball-, Basketball- und Minifußballplätzen.