Tagsüber stöbern, nachts durch Bars streifen
Das alte und das neue Athen konvergieren in Monastiraki. Die U-Bahn spuckt Fahrgäste in die Ifestou-Straße aus, Hauptschlagader des Flohmarkts, aber auch Teil der antiken Stadt. Die historischen Schichten der Stadt und ihre traditionell unterschiedlichen Gemeinden liegen hier auf einer Linie: Schauen Sie vom Platz aus auf die Akropolis, dann haben Sie auch eine Moschee und eine byzantinische Kirche im Blick. Monastiraki, das „kleine Kloster“ hat seinen Namen von einer Abtei, die hier einst stand. Heute ist davon nur noch die kleine Basilika der Pantanassa (Allherrscherin) aus dem 10. Jahrhundert auf dem Platz übrig.
Eine Welle der Gentrifizierung hat um die Jahrhundertwende die meisten alten Handwerkerläden aus Psiri vertrieben und durch Bars und Restaurants ersetzt. Jetzt ziehen wieder moderne Handwerker hierher und machen Ledersandalen und eigenwillige Souvenirs anstelle von Korbstühlen und Weißblechwaren. Und heruntergekommene Gebäude wurden dank herausragender Steet-Art wieder lebendig. Aber Psiri ist immer noch am reizvollsten und lebendigsten in der Nacht, wenn die Second-Hand-Läden schließen und die trendigen Nachtschwärmertreffs ihre Stühle in die engen Gassen stellen.
Foto: Thomas Gravanis
Avissinias-Platz
Der Avissinias-Platz liegt mitten im „Yussurum“, wie der Flohmarkt traditionell nach den jüdischen Händlern Noah und Elias Yussurum heißt, prominenten Vertretern des örtlichen Trödlerverbandes um 1900. (Heute reicht es, Monastiraki zu sagen, und die Leute verstehen „Flohmarkt“.) Dieser nette Platz ist das Herz des Marktes, obwohl nicht alles hier ein Schnäppchen oder auch nur antik ist.
Sonntags herrscht hier Festtagsstimmung mit Livemusik von Straßenkapellen. Das Gebiet westlich des Platzes verwandelt sich ein einen Ersatz-Freiluftbasar, der sich bis nach Thissio erstreckt, wo Sammler nach alten Telefonkarten, Tinnef und Werkzeug stöbern. In der Samstagnacht vermischen sich die Trödler, die ihre Stände aufbauen, in einer typisch athenischen Weise mit den modebewussten Bar- und Restaurantbesuchern, die sich hier die Nacht um die Ohren schlagen.
Die erzbischöfliche Bibliothek
Nichts an der nüchternen Fassade dieses zweigeschossigen klassizistischen Gebäudes in Psiri deutet auf seine merkwürdige Geschichte hin – oder was sich im Innern verbirgt. Offiziell ist es die Bibliothek des Erzbischofsamtes mit ungefähr 15.000 Bänden. Aber ein diskret ausgeleuchtetes Gewölbe am hinteren Ende des Hauptkorridors der Bibliothek offenbart das Innere der mittelalterlichen Eleousa-Kirche. Schauen Sie hinein und sehen Sie, was von der Kirche übrig ist, die einst dem britischen Konsul und Vater von Lord Byrons berühmter „Maid of Athens“ gehört hat. Im griechischen Freiheitskrieg schwer beschädigt, wurde die Kirche vom jungen griechischen Staat requiriert, der sie nach Plänen des dänischen Architekten Christian Hansen zum Kriminalgericht umbauen ließ. Was die Heilige Eleousa angeht, der Name – die Barmherzige – geht vielleicht auf einen antiken Altar des Erbarmens zurück, über dem sie errichtet wurde.
Foto: Giorgios Makkas
Foto: Thomas Gravanis
Iroon-Platz
Der 1850 angelegte Iroon- oder Heldenplatz vermittelt das etwas unwirkliche Gefühl einer Filmkulisse, mit seinen teilweise verkehrsberuhigten Gassen, den niedrigen Bauten mit den altmodischen schmiedeeisernen Vordächern und einem modernistischen Gebäude aus den Dreißigerjahren, das in einem stumpfen Winkel gebaut ist, der dem Platzgrundriss folgt. An die Stelle der traditionellen Kaffeehäuser und Tavernen, die früher von einer bunten Kundschaft frequentiert wurden – von Monarchen und Schriftstellern bis zu Tagelöhnern, Kleinasienflüchtlingen und kleinen Ganoven – sind Hipster-Bars, Studentencafés und Handwerkerläden getreten, die die fünf Straßen säumen, welche vom Platz ausgehen. Obwohl schwer in Mode, bewahren sich die Platia Iroon und Psiri noch etwas von der Atmosphäre des alten Athen, das man in der touristischeren Plaka nicht mehr finden wird.
Die Melidoni-Straße
Im frühen 20. Jahrhundert war Psiri ein Viertel mit starker jüdischer Präsenz. Die beiden Synagogen um die Ecke vom offiziellen Holocaust-Mahnmal – der minimalistischen Skulptur eines kompassartigen, gesprengten Davidsterns in der Evvoulou-Straße – zeugen noch davon. Nach Bemühungen, die schon in den 1840er Jahren begonnen hatten, wurde der Baugrund für die Athener Synagoge 1903 erworben. Aber Differenzen zwischen den spanischsprachigen Sepharden und den griechischsprachigen Romanioten führen schließlich zum Bau einer zweiten Synagoge schräg gegenüber. Beide Synagogen bestehen noch, auch wenn sie selten für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Die ältere romaniotische in Hausnummer 8 ist als „Ianniotiki“ bekannt, ein Hinweis auf die Wurzeln dieser Gemeinde in Ioannina in Nordwestgriechenland. Die jüngere, ein marmorverkleideter Bau aus den Dreißigerjahren, der 1970 renoviert wurde, hat die Hausnummer 5.
Der Agion-Asomaton-Platz
Die Ermou-Straße, die vom Syntagma-Platz durchs ganze historische Zentrum verläuft, endet etwas unspektakulär an einem kleinen Platz, auf dem die Kirche Agii Asomatoi (die Heiligen Körperlosen) aus dem späten 11.Jahrhundert steht, deren Bezeichnung im orthodoxen Glauben ein anderer Name für die Erzengel ist. Der Wiederbelebung des Gebiets hat die Einrichtung des Benaki-Museums für islamische Kunst etwas weiter unten, an der Ecke Agion Assomaton & Dipylou, Auftrieb gegeben. Die Entscheidung, die Sammlung hier anzusiedeln, wurde nicht zufällig getroffen: Im Inneren der Kirche wird man islamische Motive bemerken, die auf die Anwesenheit einer arabischen Händlergemeinde im 10. und 11. Jahrhundert hinweisen. Auch in den Keramikreliefs über den Fenstern sind arabische Einflüsse auszumachen.